Wie wir in Sinn und Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens Frieden finden.
Hast Du Dich schon jemals gefragt, wie die Wolken sich wohl fühlen? Sie wandern über den Himmel und scheinen nie “Probleme” zu haben. Mal driften sie nach rechts, mal nach links, mal sehen sie aus wie ein Hund, eine Giraffe oder ein Drache. Aber ärgern sich die Wolken jemals darüber, dass sie falsch abgebogen sind? Kennen Wolken so etwas wie “Stress”? Man darf gerne über solche Gedanken schmunzeln, doch wir Menschen sollten uns die Weisheit der Wolken öfter vor Augen führen. Wir leben gestresst und sind viel zu oft mit unseren Problemen beschäftigt. Das drückt auf unser Gemüt und führt zu Auswirkungen in unserem Körper. Während die Wolken unbeschwert über den Himmel wandern, sich von den Winden treiben lassen, hasten wir Menschen tagein tagaus, weil uns oft das Gefühl plagt, dass uns noch etwas fehlt, um vollkommen glücklich zu sein. Doch fehlt uns wirklich noch etwas zum Glück? Wie es so schön heißt:
„Wir brauchen nichts zum Glücklichsein. Wir brauchen jedoch einen Grund, um unglücklich zu sein.“
Ein scheinbar sehr einfacher Gedanke, der jedoch den Nagel auf den Kopf trifft.
Foto: Jason Blackeye – Unsplash

Es braucht ein wenig Mut, aber es kann sehr befreiend sein, wenn wir uns für einen Augenblick trauen, die Welt als vollkommen sinnlos zu betrachten. Alles, was wir heute auf der Erde erleben, wird einst vergessen sein. Selbst die Taten von großen spirituellen Persönlichkeiten wie Jesus oder Buddha, an die wir uns heute noch erinnern, werden irgendwann ebenfalls vergessen sein. Diese Welt wird irgendwann verloschen sein und nichts wird mehr von alledem übrig sein, was uns heute umgibt.
Was ist also der Sinn unseres Seins? Der moderne Mensch klopft sich gerne auf die Brust und sagt unsere Evolution sei der Zweck unseres Daseins. Wenn wir uns die Kriege und all das Leid auf der Erde ansehen, dann fragen wir uns: Was genau verstehen wir unter Evolution? Vielleicht erleben wir gerade eine technische Entwicklung, aber wie steht es um unsere ethische Entwicklung? Wir können alles in der Welt und auch die ganze Welt selbst als sinnlos ansehen. Doch genauso können wir auch sehen, wie alles für sich genommen sinnvoll ist. Die Blumen blühen, weil sie schön sind. Sonne, Mond und Sterne wandern über den Himmel, weil es schön ist. Städte, Orte und sogar ganze Nationen entstehen und verschwinden wieder, und wenn man sich das im Geiste in einem Zeitraffer ausmalt, hat selbst diese ewige Veränderung eine gewisse Melancholie und so ihre eigene Schönheit.

Foto: Saad Chaudhry – Unsplash
Charles Darwin hat als typisch moderner Geist selbst das Blühen der Blumen mit einem externen Sinn versehen: Der Fortbestand der Spezies sei das Ziel. Mehr Sonnenlicht zu erhalten, als die Konkurrenz und so weiter. Das ist das Denken, mit welchem der moderne Mensch heute von früh bis spät bombardiert wird. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir überzeugt sind, dass wir auch unser eigenes Leben mit einem letzten Sinn versehen müssten.
Doch welchen Sinn soll nun mein Leben haben? Soll ich berühmt oder reich werden? Oder vielleicht etwas für die Menschheit tun? Was kann mich mit genügend Sinn erfüllen, dass ich dafür brenne und alles dafür tue, um dieses Ziel zu erreichen? Wir sehen uns YouTube-Videos an, lesen Bücher über Persönlichkeitsentwicklung und Zielfindung und überlegen über die Jahre immer wieder, was uns denn wohl erfüllen und glücklich machen könnte.
“Die Menschen sind unglücklich, weil ihnen nicht bewusst ist, dass sie eigentlich glücklich sind.”, schrieb einst der russische Schriftsteller Lew Tolstoi.
Dies mag aufs Erste etwas befremdlich klingen, doch es drückt eine tiefe Wahrheit aus: Wir fühlen uns oft unglücklich, weil wir im Kopf ständig nach etwas greifen, was uns vermeintlich noch zum Glück fehlt. Wir suchen nach der großen Erfüllung, dem Sinn unseres Daseins auf Erden. Doch in Wirklichkeit gibt es keinen letztgültigen Sinn der Welt, außer dass alles entsteht, wieder vergeht und dabei auf seine eigene Art schön ist, sich selbst ausdrückt. Alle heutigen Weltreligionen haben eine Erlösungslehre, die letztlich als letzter Sinn unseres Tuns herhalten muss. Doch wer mutig genug ist, die Grenzen der Religion zu überschreiten und in eine echte Spiritualität eintaucht, der benötigt diese Konstrukte nicht mehr. Der muss nicht mehr singen, beten oder meditieren, um Gott zu gefallen. Vielleicht wird er trotzdem singen, beten und meditieren, aber nur mehr aus purer Freude an der Sache. Mit genau dieser Freude lohnt es sich, unser Leben zu leben. Denn nur die Freude an der Schönheit unseres Tuns, an der Liebe, die dieses Tun in die Welt bringt, ist der eigentlich tiefste Sinn unseres Tuns. Dies zu erkennen und danach zu leben benötigt Mut.
Foto: Mi Pham – Unsplash

Wenn ein Cellist die Bach-Suiten spielt, dann ist dies kein banales Spiel. Doch ist der moderne Mensch versucht bei dem Wort “Spiel” an etwas Oberflächliches und Banales zu denken. Im hebräischen Original heißt es in den Psalmen, dass Gott die Welt aus Freude am Spiel erschaffen hat. Und mit eben dieser Freude am Spiel können wir das Schönste aus unserer Seele entfalten. Im alten Ägypten wurde die Seele am Ende ihres irdischen Lebens gegen eine Feder gewogen. Warum eine Feder? Ein richtig gelebtes Leben fühlt sich leicht an. Das bedeutet nicht, dass wir nicht manchmal schwere Entscheidungen treffen müssten oder seelisch schwere Verluste erleiden könnten. Aber es bedeutet, das Leben richtig zu betrachten: als eine Station unter abertausenden Stationen, die die Weltseele auf ihrer Reise durch die Welt macht. Ich und die Weltseele sind eins. Wir ergründen uns gegenseitig in unseren zahllosen Leben und lernen dabei, uns gegenseitig in immer größerer Liebe zu begegnen.
Wenn Gott existiert, so zeichnet ihn eine Fähigkeit ganz besonders aus: er vermag zu lieben, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten. Und er kann dies tun, weil er unendlich frei ist zu tun, was er möchte. Nur wer unendlich frei ist, kann unendlich lieben. Liebe können wir nicht einfordern, wir können nicht einmal uns selbst dazu zwingen zu lieben, was wir nicht lieben. Doch wir können in die unendliche Freiheit des Seins eintauchen, wenn wir uns von allem von außen geschaffenen Sinn befreien und die pure Schönheit alles Seins entdecken. Wenn wir diese eine Wirklichkeit, in der wir leben, als den höchsten Ausdruck des Seins erkennen, kann die unendliche Liebe beginnen, durch uns zu strömen. Es ist diese eine Wirklichkeit, hier und jetzt, in welcher unsere Liebe wirklich lebendig sein kann.
Erschienen im Magazin Magazin Pulsar – Ausgabe November 2023, Coverfoto: Greg Rakozy- Unsplash