Liebe und Partnerschaft aus dem Blickwinkel der Spiritualität
Vielleicht sollten wir uns zuerst die berechtigte Frage stellen: Gibt es überhaupt die eine große Liebe im Leben?
In Hollywood-Filmen wird dieser tief in uns liegende Traum immer sehr schön ausgemalt: Mann und Frau, beide spüren, dass der Partner der einzig Richtige ist, aber dann zeigen sich alle möglichen Schwierigkeiten. Am Ende überwinden sie alle Hindernisse und nun steht der großen Liebe nichts mehr im Weg. Doch über die Probleme, die sich oft erst in einer Partnerschaft zeigen, erzählen die Filme selten.
Schon Platon erzählte, dass die Menschen ursprünglich vier Arme, vier Beine und zwei Gesichter hatten und sie Zeus in zwei Hälften gespalten habe. Seither seien die Menschen dazu verdammt, ewig ihre fehlende Hälfte hier im irdischen Leben zu suchen. Diese Vorstellung spiegelt die tief in uns liegende Sehnsucht nach einem Partner wieder, der uns auf allen Ebenen versteht.
Viele von uns hoffen auf die große Begegnung mit jemandem, der uns auf magische Weise in allem ergänzt. Wir mögen uns diese Idee ausgeredet haben oder sie relativiert haben, aber tief in uns drinnen lebt und wirkt sie oft weiter. Nicht selten fragen mich im Beratungsgespräch Menschen noch im hohen Alter, wann und wie sie endlich die Liebe ihres Lebens treffen können. Und man kann sich den Gedanken fast nicht verkneifen: Hört man denn nie auf zu hoffen? Doch wenn wir in uns hineinblicken: Diese Sehnsucht scheint doch auch in uns selbst nie zu versiegen. Ob man nun in einer guten Partnerschaft lebt oder nicht, der Wunsch “Verstanden zu werden” scheint ein elementares Grundbedürfnis unserer Seele zu sein.

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Warum ist dieses Bedürfnis so hartnäckig und warum zeigt es sich manchmal auch dann, wenn wir in festen Händen sind, vielleicht schon Kinder mit unserem Partner haben und uns in unserer Beziehung eigentlich glücklich fühlen sollten? Warum werden Partner plötzlich verrückt, gehen fremd oder beenden eine Beziehung gerade dann, wenn alles perfekt zu sein scheint? Warum denkt man manchmal, dass jede noch so große Liebe auf Schiffbruch ausgerichtet ist? Und gibt es sie wirklich – diese scheinbar immer seltener werdenden Fälle, in denen zwei Menschen sich in jungen Jahren kennenlernen und dann glücklich bis zum Tode zusammenbleiben?
Nun, die gibt es, aber wir alle wissen, keine Partnerschaft ist nur Friede, Freude, Eierkuchen. Schon die Griechen unterschieden zwischen Eros, der leidenschaftlichen Liebe, und Pragma, der Liebe in einer Beziehung. Übrigens darf man hier bemerken, dass die „leiden“-schaftliche Liebe, scheinbar das “Leiden” schon mit inbegriffen, sozusagen schon vorprogrammiert hat. Vom “Leid” in der Liebe können wir dann anschließend alle ein “Lied” singen.
Der heutige Mensch nimmt sich als eine einzelne Person unter Milliarden von Menschen in einer immer anonymer werdenden Welt wahr. Plötzlich kommt eine Person, die ihn alles vergessen läßt. Die Welt ist ihm nicht mehr fremd, alles wirkt beseelt, Schmetterlinge flattern im Bauch und das Leben wird scheinbar frei von Problemen – zumindest für eine gewisse Zeit.
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Die Wahrheit ist: ich, als Mensch, bin weder isoliert noch lebe ich in einer mir fremden Welt. Die Welt, die gesamte Schöpfung und ich, wir sind in unserer Wurzel eins, doch vermögen wir das nicht in jedem Augenblick unseres Lebens klar zu sehen. In der Liebe ist die andere Person eine Art “Kanal” zu solch einer wahrhafteren Wahrnehmung der Welt. Einer Welt, die eigentlich doch immer schon von Liebe erfüllt ist. Verliebt zu sein ist nicht etwas Außergewöhnliches, im Gegenteil – Die Liebe bringt uns zurück zu unserer ureigenen Verbundenheit mit dem gesamten Sein. Eben deshalb sehnen wir uns so sehr nach ihr.
Den Fehler, den wir oft machen ist, dass wir denken, diese Verbindung könnte nur über einen einzigen Menschen geschehen. Einen Menschen, der uns restlos versteht und akzeptiert. So suchen wir also ein Leben lang nach dieser Verbundenheit und wähnen sie mal stärker, mal weniger in unserem Leben zu spüren. Doch in Wirklichkeit können nur wir selbst uns vollkommen akzeptieren. Können wir denn uns selbst auch restlos verstehen? In jenem Augenblick, wo unsere Seele, das Wesen dieses Seins auf der Erde, dieses unseres Lebens in diesem Körper vollkommen verstanden hat, lässt sie dieses auch sogleich los. Wenn wir alles verstanden haben, sterben wir und verlassen diese Erde.
Wenn zwei Schachspieler erkennen, dass der eine zehn Züge später mit Sicherheit siegen wird, dann beenden sie umgehend die Partie und beginnen eine neue. Nach dem gleichen Bild ereignet sich auch unsere Wiedergeburt. Leben heißt erfahren und ergründen wollen, doch jedes Verstehen und jedes Ankommen ist auch ein kleiner Tod. Was ich vollkommen Verstanden habe, was keine Geheimnisse hat, das hat für uns auch jeglichen Reiz verloren. Das hat keine Zukunft, sondern ist bereits Vergangenheit.

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So passiert es auch in der Beziehung manchmal, dass man das Gefühl hat den Anderen vollkommen durchschaut zu haben, dann schwindet das Gefühl der Verliebtheit sehr schnell. Doch seien wir vorsichtig: Haben wir den anderen wirklich verstanden? Oder sind wir selber in einem Trott gefangen, der uns die immer gleichen Dinge am Anderen sehen lässt, anstatt das ewig Neue an Ihm zu entdecken?
Schließen wir also Frieden mit dem Gedanken, dass nur wir selbst uns vollkommen akzeptieren können und dass nicht einmal wir selbst uns je vollkommen verstehen können. Doch gleichzeitig ist die Entdeckung von uns selbst und unserer tiefen Verbundenheit mit der Welt die größte Reise, die wir in unserem Leben machen können. Und wenn wir letztlich diesen Frieden in uns finden, so suchen wir nicht mehr nach einem Menschen, der die Lücken in unserem Leben schließt, sondern uns die Welt in einem neuen Licht sehen lässt.
Wenn wir beginnen zu verstehen, dass wir uns eigentlich nicht nach einer Person, sondern einer Verbindung sehnen, dann verlagert sich unsere Sehnsucht langsam in einen Bereich, der nicht mehr außerhalb unserer Macht liegt. Wir verstehen, dass wir für diese intimste aller Beziehungen – Zwischen mir und der Welt – auch selbst, ohne äußere Hilfe, etwas tun können. So hören wir allmählich auf, alles mögliche in andere Personen hineinzuprojizieren und arbeiten stattdessen an dieser einzigartigen Beziehung. Nun kann die in uns wohnende Liebe frei überall hinfließen.
Spirituelle Reife heißt auch, seine individuelle Sicht auf die Mitmenschen und die Welt zu entdecken und aufzulösen. Je weniger ich meine Ideen und Überzeugungen in die Welt hineininterpretiere, umso mehr vermag ich die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, umso mehr vermag ich meine Mitmenschen so zu sehen, wie sie wirklich sind. So können schließlich jene Menschen zu mir finden, die sich in meiner Wärme wohlfühlen und in deren Wärme ich mich selbst wohl fühle. So kann uns letztlich auch ein Partner finden, der die Wärme dieser Verbundenheit ausstrahlt. Dieser Partner muss dann auch nicht irgendwelchen Idealen und Vorstellungen entsprechen. Er darf so sein, wie er ist.
Erschienen im Magazin Naturheilkunde, Ausgabe 2022 – 2, Coverfoto: Troy Ozuna – Unsplash