Ist Geld schlecht?

– Wo wahre Werte zu finden sind und wie wir mit und ohne Geld gleichermaßen erfüllt leben können –

 

Wenn wir uns in der Welt heute umsehen, so hat man den Eindruck, dass das Geld die Menschen verrückt gemacht hat. Im Namen von Profit geschehen mitunter die abwegigsten Dinge in unserer Welt. Unsere Erde wird gedankenlos auf die verschiedensten Arten ausgebeutet, oft ohne an die nachfolgenden Generationen zu denken. Die Arbeitskraft des Menschen und so auch er selbst ist zur Ware verkommen. Der Mensch und seine Arbeitskraft ist ein Kostenfaktor in der großen Gleichung der Weltbilanz geworden.

Etwa 280 Millionen Menschen hungern in Afrika. Dies entspricht dreieinhalb Prozent der Weltbevölkerung. Mit 100-300 Euro pro Jahr könnten diese Menschen Zugang zu einer richtigen Ernährung haben. Etwa acht Prozent der Weltbevölkerung verdienen zwischen 100.000 und 1.000.000 Euro pro Jahr. Man fragt sich nun berechtigterweise: Wäre es ein Ding der Unmöglichkeit für diese acht Prozent, wenn auch nur jeder zweite einen einzigen Menschen in Afrika ernähren würde? Die acht reichsten Menschen der Welt besitzen gemeinsam so viel wie die ärmere Hälfte der Welt. Das sind Zahlen, die man sich oft gar nicht so richtig vorstellen kann.

Foto: Benett Tobias – Unsplash

Warum sind in unserer Welt diese Probleme nicht längst vom Tisch? Gerne feiern wir Menschen uns als die Spitze der Evolution. Aber von welcher Entwicklung können wir sprechen, wenn Hunger und Kriege noch zu unserem Alltag gehören? Das zieht aber auch eine wichtige Frage nach sich: Was kann der Einzelne tun, um in unserer Welt rechtschaffen zu leben und dem Gemeinwohl zu dienen?

Wie kann ich so leben, dass an meinen Händen nicht das Blut der Kinderarbeiter in afrikanischen Minen klebt? Jedes elektronische Gerät benötigt die Materialien aus diesen Minen. Soll ich ohne Handy, PC und Fernseher leben? Dann könnte ich auch beispielsweise diesen Artikel gar nicht verfassen und an die Redaktion senden. Ob wir wollen oder nicht: Selbst wenn wir als Eremiten auf einer Bergspitze wohnen – wir sind mit der ganzen Welt vernetzt. Denn selbst ein Eremit benötigt etwas zu essen, warme Kleidung und einen Platz, auf dem er leben kann. Er atmet sprichwörtlich die gleiche Luft, wie wir alle.

 

Es ist gut und wichtig, bei sich selbst zu beginnen, indem man zum Beispiel seinen Müll trennt und darauf achtet, was man einkauft. Aber bei den vielen, mittlerweile immer schwerer überschaubaren Warenketten ist es fast unmöglich, genaues über die Herkunft jedes Einzelteils einer Ware zu wissen. Genauso wissen wir auch nicht immer, wo letztlich unser Müll landet. Wir sind vernetzt und Teil des großen Getriebes der Welt. Wir sind ein wenig wie ein Wassertropfen in einem großen Ozean und können oft nur wenig gegen die Wirkkräfte des Großen und Ganzen tun.

Foto: Matt Hardy – Unsplash

Doch genau dieses Bild kann uns vielleicht helfen, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie wir mit Geld umgehen sollten. Die Wellen mögen uns mal hierhin, mal dorthin treiben. Doch jeder Wassertropfen hat auch die Tendenz, in sich zur Ruhe zu finden. Jeder Sturm zieht einmal vorbei und das Wasser wird danach wieder ruhig. Ist das Wasser verschmutzt, so sickern langsam die Verschmutzungen zu Boden und das Wasser klärt sich. Flüsse strömen und reinigen durch die Bewegung sich selbst. Das Wasser hat die Tendenz, wieder klar zu werden und zur Ruhe zu gelangen.

Bei unserem Umgang mit Geld sollten wir uns dessen bewusst sein, dass Geld eigentlich nur ein abstrakter Begriff ist – genauso, wie die Zeit. Wir messen zwar die Zeit, aber doch können wir nur in der einen Gegenwart leben, die es gibt. Wir erinnern uns jetzt und wir planen die Zukunft jetzt. Wenn wir mit unserer Aufmerksamkeit zu viel in der Vergangenheit verweilen, werden wir traurig. Wenn wir uns zu viel um die Zukunft sorgen, werden wir unruhig. Die Gegenwart ist der wahre Hafen der inneren Ruhe. Im Hier und Jetzt lebt es sich am besten.

So ähnlich verhält es sich auch mit Geld. Geld ist nicht etwas, das eine physische Existenz hat. Geld ist eine Maßeinheit. Wir drucken zwar nach wie vor Banknoten und haben das Gefühl etwas in den Händen zu halten, aber im Grunde genommen stellt Geld nur eine Vereinbarung zwischen den Menschen dar. Und es liegt an uns, welchen Dingen wir in unserem Leben einen Wert einräumen.

Foto: Lina Trochez – Unsplash

Der amerikanische Anthropologe und Ökonom David Graeber hat vor über zehn Jahren ein spannendes Buch verfasst, welches mit vielen falschen Vorstellungen aufräumt, die wir über das Geld und die Entstehung unserer monetären Systeme haben. Der vielleicht wichtigste Gedanke seines Buches, „Schulden – die ersten 5000 Jahre”, ist, dass in uns Menschen, wenn wir uns gegenseitig helfen, ein Gefühl von Schuld entsteht. Hat mir jemand geholfen, so möchte ich ihm gerne etwas im Gegenzug dafür geben. Dieses Gefühl in uns ist ganz natürlich, doch wir sind gerade heute aufgerufen, nicht jede Schuld mit Geld zu begleichen.

Es liegt an uns, welchen Dingen wir Wert einräumen. Der wichtigste Wert den wir schöpfen können, sind unsere Fähigkeiten, mit denen wir vom Leben beschenkt wurden. Mit diesen können wir unseren Mitmenschen einen wahren Mehrwert bieten. Der wahre Wert unserer Arbeit ist, dass wir sie tun dürfen und können, dass jeder von uns auf seine Art der Menschheit auf eine bestimmte Art dienen kann. Und wenn wir diesen Sinn in unserer Arbeit nicht mehr erkennen können, so erleben wir oft eine Sinnkrise, einen Burnout oder gar eine schwere Erkrankung. Wir können nur heilen und auch uns selbst gesund halten, wenn wir in dem, was wir tun, einen Sinn finden.

Deshalb ist die wichtigste Verbindung unseres Lebens unsere Berufung. Der Dienst, den wir an der Gesamtheit tun können. Das Wort Schicksal deutet schon darauf hin, dass wir alle mit etwas auf die Erde „geschickt“ wurden. Wenn wir uns dessen bewusst werden, dann wird das Geld, welches zu uns kommt oder von uns geht, dem richtigen Zweck dienen.

Erschienen im Pulsar Magazin, Ausgabe September 2023.
Coverfoto: Christian Dubovan – Unsplash